Abs. 1: Die öffentlichen Volksschulen sind Bekenntnis- oder christliche Simultanschulen.
Abs. 2: In Bekenntnisschulen werden die Schüler von Lehrern gleichen Bekenntnisses unterrichtet und erzogen, wobei Erziehung und Unterricht von den religiösen und sittlichen Grundsätzen dieses Bekenntnisses bestimmt werden. In Simultanschulen erfolgt die Aufnahme der Schüler ohne Rücksicht auf ihr Bekenntnis. Unterricht und Erziehung sind in den Simultanschulen christlich, aber nicht bekenntnismäßig gebunden. Die Anstellung der Lehrer erfolgt entsprechend dem Bekenntnisstand der Schüler.
Abs. 3: Die Wahl der Schulart steht den Erziehungsberechtigten frei.
Abs. 4: Die Bekenntnis- und Simultanschulen, die vor 1933 bestanden, sind aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Jedoch sind auf Antrag der Erziehungsberechtigten bestehende Schularten umzuwandeln und Bekenntnis- und Simultanschulen neu einzurichten, soweit hierdurch ein geordneter Schulbetrieb, der auch durch eine erstklassige Schule gewährleistet ist, nicht beeinträchtigt wird.
Abs. 5: Die einer Bekenntnisminderheit angehörigen Schüler, für die in der Wohngemeinde eine eigene Bekenntnisschule nicht besteht, haben Anspruch auf Aufnahme in die Schule des anderen Bekenntnisses, dabei ist die religiöse Betreuung und den lehrplanmäßigen Religionsunterricht dieser Schüler durch Vertreter ihres Bekenntnisses ausreichend zu sorgen.


Der „Schulkampf“ in Rheinland-Pfalz war im Jahr 1953 in vollem Gange. Gestritten wurde bereits seit Gründung des Bundeslandes über die Schulform. Ausgangspunkt war Artikel 29 der Landesverfassung, der für die Schulform der öffentlichen Volksschulen die Bekenntnis- und die christliche Simultanschule vorschrieb und die Erziehungsberechtigten der Schüler:innen vor die Wahl stellte. Gerade am Modell der Bekenntnisschule störte sich die Bevölkerung und mit zunehmender Intensität des Streits auch immer mehr die Politik. Selbst Papst Pius XII. schaltete sich in den Streit um die Bekenntnisschule ein und befürchtete bei einer Radioansprache zum Mainzer Katholikentag 1948 eine Eskalation zu einem „Kampf auf Leben und Tod“.

1952 befeuerte der Mainzer Bischof Albert Stohr durch einen Aufruf für mehr Bekenntnisschulen die Auseinandersetzung vor allem in Rheinhessen – einer Region, die traditionell hauptsächlich auf das Modell der Simultanschule setzte. Erst 1955 wurde der Streit mit einem Volksschulgesetz endlich beigelegt.

Doch was war geschehen?

Rheinland-Pfalz ist ein Bundesland, das aus vorher nicht zueinander gehörenden Gebieten zusammengefügt wurde. Somit waren auch die Schulsysteme in den einzelnen Landesteilen unterschiedlich. So war der Norden des Landes katholisch geprägt und konfessionell getrennte Schulen, also Bekenntnisschulen, waren dort schon lange verbreitet. Im Süden des Landes, in der Pfalz, waren beide Schulsysteme verbreitet. In Rheinhessen gab es bis auf wenige Ausnahmen keine Bekenntnisschulen – das System der Simultanschule war hier die breit akzeptierte Regel. In Folge fand der Schulstreit hier besonders heftig statt.

Die schwierige Aufgabe, die unterschiedlichen Schulformen in einer Landesverfassung möglichst widerstandslos unterzubringen, wurde mit dem Artikel 29 gelöst, der beide Schulsysteme gestattete und die Wahl den Eltern der Schüler:innen überließ. Die Aufnahme der Bekenntnisschulen in die Verfassung löste bereits in der beratenden Landesversammlung heftige Diskussionen aus. Lediglich die CDU sprach sich für die Konfessionsschulen aus. Aufgrund der internen Uneinigkeit in der Versammlung entschloss man sich dazu, den Artikel 29 unabhängig vom Rest der Verfassung in einem eigenen Volksentscheid abstimmen zu lassen. Landesweit wurde der Artikel 1947 nur mit einer sehr knappen Mehrheit von 52 % angenommen – in der Pfalz und in Rheinhessen waren sogar nur 37% (Pfalz) beziehungsweise 33 % (Rheinhessen) für den Artikel. Ein großes Konfliktpotenzial war also bereits zu diesem Zeitpunkt zu erkennen.

Bereits unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg entwickelte sich ein Schulstreit in der Pfalz. Der Bischof von Speyer, Joseph Wendel (Bischof von Speyer 1943-1952), machte sich für die Wiedereröffnung und dem Bau neuer Bekenntnisschulen stark, die in der Zeit des Nationalsozialismus geschlossen wurden. Trotz Konflikten mit Teilen der Bevölkerung und nicht zuletzt mit der französischen Besatzungsmacht, die in der konfessionell gemischten Pfalz das Aufbrechen von Gegensätzen befürchtete, schaffte es die katholische Kirche in der Pfalz, die konfessionellen Schulen wieder zu etablieren – die evangelische Kirche hatte keine andere Wahl, als für protestantische Schüler:innen ebenfalls Bekenntnisschulen zu errichten.

Die französische Militärregierung zögerte eine umfassende Konfessionalisierung des Schulsystems in der Pfalz so weit wie möglich hinaus. Als sie 1949 die Kompetenzen im Schulsektor an Deutschland übergab, drängte das Bistum in Speyer erneut auf die Etablierung der Bekenntnisschulen. Die in Politik und Bevölkerung herrschenden Konflikte versuchte Kultusminister Adolf Süsterhenn 1950 mit einer Landesverfügung beizulegen. In den Gemeinden der Pfalz, in denen es vor 1933 nun zu Simultanschulen umgewandelte Bekenntnisschulen gab, sollten sich die Eltern aktiv für den Erhalt des simultanen Systems einsetzen – sonst stimmten sie automatisch einer erneuten Umwandlung der Schule zur Bekenntnisschule zu. Da diese Antragsaktion sehr kurzfristig und ohne viele Informationen durchgeführt wurde, war der Protest in der Bevölkerung massiv. Süsterhenn musste sich schließlich den Druck beugen und zog seine Aktion zurück.

In Rheinhessen ging die Initiative zur Gründung von Bekenntnisschulen vom Mainzer Bischof Albert Stohr aus. Er rief ab 1952 katholische Eltern dazu auf, in Antragsverfahren Bekenntnisschulen zu fordern. Selbst in der katholischen Bevölkerung stieß diese Aktion auf sehr geteiltes Echo. Nur etwa die Hälfte der durch den Bischof aufgeforderten Eltern hatten in ihren Anträgen katholische Schulen gefordert – für Stohr ein ernüchterndes Ergebnis.

Der Vorstoß Albert Stohrs sorgte für Unruhen in der Landespolitik. Die FDP als Koalitionspartner der regierenden CDU war schulpolitisch ein Gegner der Konfessionsschule und damit näher an der oppositionellen SPD als am Regierungspartner. Die CDU zerstritt sich innerparteilich – vor allem evangelische Abgeordnete rückten mit Verschärfung der Konflikte immer mehr von der Befürwortung der Konfessionsschule ab. Im Frühjahr 1952 gipfelte die Koalitionskrise gar in einem Misstrauensantrag gegen Ministerpräsident Altmeier, der knapp scheiterte. Als Folge wurde die Antragsaktion des Bistums Mainz nun durch die Politik geordnet und geregelt. Es waren nun nur noch Formulare gültig, die diesen Regeln entsprachen. Gegen die Informationskampagne des Bistums stellte vor allem die Lehrergewerkschaft GEW nun Informationen gegen eine Konfessionsschule zur Verfügung. Auf Flugblättern und in Zeitungsartikeln wurde der Ton zunehmend rauer.

Betrachtet Euch nur die Gegner der Bekenntnisschulen! Es sind die Freisinnigen, die Freidenker, Freimauerer, Marxisten und Sozialisten! Sie waren immer kirchenfeindlich und werden es immer bleiben.

Auch wenn die Antragsaktion 1952 für Albert Stohr unbefriedigend endete, wurde für das Schuljahr 1953 schon die nächste Antragsaktion geplant. Gemeindepfarrer bekamen nun sogar mitgeteilt, wie viele Anträge sie einzusammeln hätten. Eltern, die ihre Unterschrift verweigerten, wurden bedrängt und verunglimpft. Dies sorgte für ein besseres Ergebnis als im Jahr zuvor, trotzdem waren am Ende nur 13 Prozent der Kinder in Rheinhessen für Bekenntnisschulen angemeldet. Gegen den nun durch die Antragsaktion zu befürchtende Konfessionalisierung klagten mehrere Kommunen und auch die Stadt Mainz. Man sah es nicht ein, im noch immer andauernden Wiederaufbau nun auch noch die ohnehin knappen Gelder in die Schaffung neuen konfessionellen Schulraums zu stecken. Auch die durch die Erfahrungen und Folgen des Krieges konfessionell stärker zusammengewachsenen Bürger:innen wollte man durch die Etablierung der Bekenntnisschulen nicht wieder entzweien.

Aussicht auf Erfolg hatten die Klagen durch die Regelungen der Verfassung nicht – sie waren mehr symbolhaft gemeint, um zu zeigen, dass man mit dieser Politik nicht einverstanden war. Auch erhoffte man sich eine Verzögerung der Konfessionalisierung. Die katholische Kirche animierte daraufhin die Eltern, ihrerseits Klage gegen die Nichtumsetzung der Anträge zu erheben.

Zeitgleich wurde ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss gegründet, der Vorwürfe gegen einige Geistliche untersuchen sollte. Diese hätten Anträge gefälscht und mit Kirchenstrafen gedroht und unter Druck gesetzt. Auch Bestechungsversuche wurden untersucht. Wirklich aufgeklärt wurde durch den Ausschuss nur wenig.

Trotz aller Bemühungen der Gegner wurden die Bekenntnisschulen schließlich 1953 eingerichtet. Das war durch den Artikel 29 der Landesverfassung unabänderbar. Es handelte sich um wesentlich weniger Schulen mit deutlich weniger Schüler:innen, als Albert Stohr es sich im Jahr zuvor erhofft hatte. Sie hatten durch spätere Reformen keine 20 Jahre Bestand.

Der Schulstreit wurde von beiden Seiten im scharfen Tonfall sehr grundsätzlich geführt. Er behandelte für das ganze Land Rheinland-Pfalz grundlegende Konzepte der zukünftigen Ausrichtung im Bildungswesen und Formen des konfessionellen Zusammenlebens. Zeitweise wurde das Thema zur Zerreisprobe des Landes – mehrfach wurde eine Auflösung des Landes gefordert. Auch über eine Angliederung Rheinhessens zu Hessen, wo Simultanschulen das verbreitete Konzept waren, wurde diskutiert. Das man den Streit schließlich demokratisch beilegen konnte, stärkte schlussendlich das neu entstandene Bundesland.


Autor: Lutz Luckhaupt

Literatur:

  • Rödel, Eva: Der Streit um die Bekenntnisschule. Der "Schulkampf" in Rheinhessen und seine Folgen 1952-1955. Ubstadt-Weiher 2013 (= Veröffentlichungen der Kommission des Landtages für die Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz, Bd. 29).

Weblinks: