Vom 09. bis 22. April 1956 wurden in Rheinland-Pfalz fünf Volksbegehren durchgeführt, die über eine eventuelle Neugliederung des Landes entscheiden sollten. Eines dieser Volksbegehren hatte das Ziel der Wiederangliederung der Region Rheinhessen an das Bundesland Hessen.

Diese Volksbegehren entstanden auf Grundlage des Artikels 29 des Grundgesetzes. Jener Artikel besagt, dass in denjenigen Gebieten, die nach dem 08. Mai 1945 ihre territoriale Zugehörigkeit durch die Gründung der Bundesländer geändert hatten, Volksbegehren durchzuführen waren. Wenn mindestens 10% der Bevölkerung bei diesen Volksbegehren für eine Neugliederung stimmten, musste eine Volksabstimmung über den Verbleib in dem neuen Bundesland entscheiden.

Obwohl dieser Artikel 29 von den Alliierten zunächst ausgesetzt wurde, entstand in verschiedenen Regionen eine anhaltende Diskussion über eine mögliche Neugliederung des Landes Rheinland-Pfalz. Im Zuge dieser Diskussion wurden zwei Ausschüsse gegründet, die sich mit den Fragen der Diskussion geschäftigen sollten.

Der erste der beiden Ausschüsse, der „Ausschuss für die innergebietliche Neuordnung“, arbeitete unter der Leitung des Bundestagsabgeordneten August-Martin Euler (FDP) und stellte am 30. Juli 1951 seine Ergebnisse vor.

Wirklich überzeugt war der Ausschuss allerdings nicht und kam somit am 02. September 1955 zu dem Ergebnis, dass das Land „weder eine landsmannschaftliche, noch eine historische Einheit bilde und weder über ein kulturelles, noch wirtschaftliches Zentrum verfüge.“ Man gestand dem Land aber eine „ausreichende Leistungsfähigkeit und ein gesundes soziales Gefüge“ zu.

Politische Auswirkungen hatte die Entscheidung des Ausschusses jedoch nicht mehr. Die potentielle Zuordnung rheinland-pfälzischer Gebiete an Nordrhein-Westfalen wurde zu einem Politikum. Konrad Adenauer befürchtete, dass eine solche Maßnahme eine zu große Gefahr für die föderalistische Struktur Deutschlands bedeutete. Am 02. Dezember 1954 wies er seinen Innenminister Gerhard Schröder an, die Arbeit des Ausschusses einzustellen. Die Auflösung von Rheinland-Pfalz wäre ein zu großer Eingriff in die Struktur der gesamten Bundesrepublik gewesen. Öffentlich argumentierte die Regierung, dass es genug andere Dinge, wie beispielsweise die NATO-Mitgliedschaft, die Verhandlungen zur EWG und die Rückkehr des Saarlandes, zu bewältigen gäbe.

Nichtdestotrotz wurde nach dem Ende der Suspension des Artikels 29 das Gesetz zur Durchführung der Volksbegehren am 07. Dezember 1955 vom Deutschen Bundestag verabschiedet. Für Rheinland-Pfalz wurden – wie bereits erwähnt – fünf Volksbegehren zugelassen. Zwei davon plädierten für die Angliederung der Pfalz an Bayern beziehungsweise Baden-Württemberg. Ein weiteres beschäftigte sich mit der Angliederung von Koblenz-Trier an Nordrhein-Westfalen, ein anderes mit der Angliederung von Montabaur an Hessen. In Rheinhessen wurde über eine Angliederung an Hessen diskutiert.

In allen betroffenen Gebieten setzte nun ein massiver und von Polemik geprägter Wahlkampf der Befürworter und der Gegner der Neugliederung ein. Die Ergebnisse der Volksbegehren wurden schließlich am 12. Mai 1956 bekannt gegeben. In Koblenz-Trier, Montabaur und Rheinhessen hatten mehr als die nötigen 10% der Bevölkerung für die Neugliederungen der Regionen gestimmt. In Rheinhessen waren es sogar 20,3%.

Der nächste Schritt wäre jetzt eigentlich die Einleitung von Volksabstimmungen in jenen Regionen gewesen. Die Bundesregierung verzögerte allerdings die Abstimmungen mit dem erneuten Hinweis, dass man wichtigere politische Probleme habe, die gelöst werden müssten. So kam es erst 1975 zu den Volksabstimmungen. Zu dieser Zeit schien sich niemand mehr für eine Neugliederung der Länder zu interessieren, was auch die Ergebnisse der Abstimmungen belegen. Das Zusammengehörigkeitsgefühl der Bevölkerung hatte in der Zwischenzeit so stark zugenommen, dass die Befürworter einer Neugliederung in der klaren Minderheit waren.


Autor: Lutz Luckhaupt

Lutz Luckhaupt: Das Volksbegehren zur Wiederangliederung Rheinhessens an Hessen von 1956, in: www.regionalgeschichte.net,
URN: urn:nbn:de:0291-rzd-016461-20202012-5

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