In den 1950er Jahren war es in der bundesdeutschen Wirtschaft zu unbeschreiblichen Wachstumsraten von bis zu 12,1% gekommen – in Rheinland-Pfalz setzte die Entwicklung mit einer gewissen Verzögerung ein. Der Begriff »Wirtschaftswunder« prägte diese Zeit und beschreibt bis heute das Erstaunen der Bevölkerung über den unerwarteten Wohlstand so kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Schon bald schlug sich in Westdeutschland diese ökonomische Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt nieder. Die Arbeitslosenquote sank innerhalb kürzester Zeit von 11% im Jahr 1950 auf unter 1% im Jahr 1961. Zwar war der Zustand der Vollbeschäftigung damit erreicht, jedoch benötigte das Land dringend weitere Arbeitskräfte.
Zeitgleich war in der Türkei das wirtschaftliche Leben von Ineffizienz und Subventionspolitik geprägt. Es kam zu Finanz- und Wirtschaftskrisen sowie einer gescheiterten Industrialisierung. Die türkische Regierung hoffte in dieser Situation, mittels Arbeitskräfteexport der hohen Arbeitslosigkeit und dem starken Bevölkerungswachstum begegnen zu können.
Auf deutscher Seite kam es Mitte/Ende der 1950er Jahre im Zuge dessen zunächst zu privaten Alleingängen unterschiedlicher Institutionen, um türkische Arbeitskräfte für verschiedene Aus- und Fortbildungsprojekte nach Deutschland zu holen. So organisierte beispielsweise das Weltwirtschaftsinstitut in Kiel 1956 ein Fortbildungsprojekt für türkische Handwerker:innen. Zur selben Zeit versuchten türkische Arbeiter:innen aber auch aus eigener Initiative auf den deutschen Arbeitsmarkt zu gelangen. So waren bis 1960 bereits 2.500 türkische Arbeitnehmer:innen nach Deutschland gekommen.
Die zunehmend privaten Aktivitäten ließen bei den offiziellen Stellen auf beiden Seiten Stimmen aufkommen, die für eine staatliche Regulierung der Zuwanderung türkischer Arbeitnehmer:innen plädierten. Vor allem in Ankara begrüßte man dieses Vorhaben. So sollte ein Ventil für den innertürkischen Arbeitsmarkt geschaffen und neue Fachkenntnis ins Land geholt werden. In den bundesdeutschen Ministerien gab es hingegen Vorbehalte. Das Auswärtige Amt befürchtete bei einem Anwerbeabkommen mit der Türkei andere Länder zu verstimmen, die ebenfalls an Abkommen interessiert waren. Das Bundesarbeitsministerium war zunächst nicht davon überzeugt, dass ein Abkommen wirklich dazu führen würde, die begehrten Facharbeitskräfte zu erhalten. Die Türkei blieb jedoch hartnäckig und so kam es, dass die Bundesrepublik schlussendlich doch zustimmte. Ausschlaggebend für die Entscheidung war insbesondere auch die Bedeutung der Türkei als wichtiges NATO-Mitglied und Handelspartner Westdeutschlands. 1961 unterzeichneten beide Parteien das Abkommen. Infolgedessen bewarben sich zwischen 1961 und 1973 nun mehr als zweieinhalb Millionen Menschen aus der Türkei um eine Arbeitserlaubnis in Deutschland; jeder Vierte wurde genommen. Die Aufenthaltserlaubnis für türkische Arbeiterinnen und Arbeiter in Deutschland war zunächst auf zwei Jahre beschränkt. Später wurde die Aufenthaltsdauer verlängert, um für die deutschen Unternehmen den großen Aufwand für die Anlernung immer neuer Kräfte geringer zu halten.
Ähnliche Abkommen waren zuvor auch mit Italien (1955), Spanien und Griechenland (1960) geschlossen worden. Weitere Beschlüsse mit Marokko, Portugal, Tunesien und Jugoslawien sollten folgen.
Autor: Maximilian Deheck
Weblinks:
- 1961: Anwerbeabkommen mit der Türkei - bpb.de
- Das deutsch-türkische Anwerbeabkommen - lebenswege.rlp.de
- 60 Jahre Anwerbeabkommen Deutschland-Türkei - lebenswege.rlp.de