Versuche, das Schulwesen zu reformieren, charakterisieren die bundesdeutsche Bildungspolitik der späten 1960er und 1970er Jahre. Das beherrschende Thema des Jahres 1967 war in Rheinland-Pfalz die Veränderung des Artikel 29 der Landesverfassung. Die Simultanschule wurde der christlichen Bekenntnisschule vorangestellt. Im Jahr 1970 erhielt der Artikel dann seine heutige Formulierung: „Die öffentlichen Grund-, Haupt- und Sonderschulen sind christliche Gemeinschaftsschulen.“

Mit dem Modell der Gesamtschule experimentierte man mit einer neuen Schulform. Dem Gesamtschulkonzept gingen Überlegungen des Deutschen Bildungsrates voraus, der sich 1965 als Sachverständigenkommission zur Weiterentwicklung des gesamten deutschen Schulwesens gegründet hatte. Ging man bis dahin weitestgehend davon aus, dass die Lern- und Leistungsfähigkeit von Schüler:innen zum Großteil durch Erbfaktoren bestimmt seien, so kam der Rat nun zu dem Ergebnis, dass Umwelt- und Sozialbedingungen in den Elternhäusern, der Schule und der Freizeit der Schüler:innen von großer Bedeutung beim Lernen ist. Die individuellen Begabungen der Kinder und Jugendlichen konnten also durch das Lernen in der Schule entwickelt und gefördert werden. Das statische Schulsystem in Deutschland, in dem Schüler:innen nach der Grundschule in ein festes Schulmodell wechselten, in dem sie dann ihre komplette Schulzeit verbrachten, entsprachen dieser Erkenntnis nicht. Dass auch die soziale Schicht der jeweiligen Familie bei der Zuordnung in das höhere Schulsystem eine Rolle spielte, war ebenfalls ein Problem. So waren beispielsweise Arbeiterfamilien benachteiligt. „Fördern statt Auslese“ sollte nun das Motto sein und man erhoffte sich mehr Chancengleichheit in der schulischen Bildung.

Als ein Lösungsansatz wurde das Schulmodell der Integrierten Gesamtschule entwickelt. In diesem Schulmodell werden die einzelnen Klassen aus Kindern unterschiedlicher Herkunft, Begabung und Neigung gebildet und gemeinsam unterrichtet. Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz war zunächst skeptisch und genehmigte nur einzelne Schulversuche. So wurden in den Jahren 1973 bis 1979 in Kaiserlautern, Ludwigshafen und Kastellaun Modellschulen eingerichtet, die wissenschaftlich begleitet wurden. Es dauerte bis 1992, bis die Integrierte Gesamtschule zu einer gleichberechtigten Regelschulform in Rheinland-Pfalz wurde.

Heute gibt es in Rheinland-Pfalz 56 Integrierte Gesamtschulen (Stand Schuljahr 2020/2021).


Autor: Lutz Luckhaupt

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