Die traditionellen Talare der Universität Mainz wurden im Zuge der Studierendenbewegung abgeschafft. Ab 1967 wurden die Rektoratsübergaben immer wieder von Studierenden gestört. Sie forderten die Durchsetzung ihrer demokratischen Rechte und Beteiligung an der Hochschulpolitik. 1968 wurde die rituelle Rektoratsübergabe aufgrund angekündigter Proteste sogar abgesagt. Stattdessen berief man kurzfristig eine Vollversammlung aller Universitätsangehörigen ein. 1969 fand ein Universitätstag in der Rheingoldhalle statt – ohne Talare, dafür aber mit breitem Raum für Debatten mit allen Universitätsangehörigen. Die traditionelle Zeremonie der Rektoratsübergabe mit Zepter und in Talaren war „unzeitgemäß“ geworden. Die Talare wurden nur noch zu Trauerfeiern und fakultätsinternen Feiern getragen.
Das Jahr 1968 war geprägt durch eine weltweite soziale Protestbewegung, an der sich auch viele Studierendengruppen beteiligten. Auch in Rheinland-Pfalz war die Studierendenbewegung spürbar, wenn es auch sicherlich kein Zentrum der Bewegung war. An der damals einzigen rheinland-pfälzischen Universität in Mainz kam es in diesem Jahr zu Konflikten mit der Hochschulleitung und zu vielfältigen Protestaktionen. Stellvertretend für das Bundesland sollen hier nun also die Proteste in der Landeshauptstadt näher erläutert werden. Zunächst waren die Proteste eher unpolitisch und richteten sich hauptsächlich gegen schlechte Studienbedingungen an der Johannes Gutenberg-Universität. Bald richteten sich die Aktionen aber auch gegen den „Muff aus 1000 Jahren“. Protestiert wurde für eine Demokratisierung der Universität. Sowohl der akademische Mittelbau als auch die Studierenden verlangten mehr Mitspracherecht in der Universitätspolitik gegenüber den Ordinarien, die bis dahin die Geschicke der Universität leiteten.
Aktionen gab es auch aufgrund der teilweise nicht aufgearbeiteten Nazivergangenheit der Dozent:innen. Ebenfalls fand ein „Sit-In“ gegen die sehr umstrittenen Notstandsgesetze der Großen Koalition Ende Mai mit einer Blockade des Haupteinganges statt. Vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Vergangenheit befürchtete man einen Missbrauch dieser Gesetze zum Abbau demokratischer Strukturen und dem erneuten Aufbau eines autoritären Staates durch die große Koalition. Auch internationale Themen wie der Vietnamkrieg oder die Diktatur in Griechenland beschäftigten die Studierenden.
Es kam in jener Zeit somit zu verschiedenen unterschiedlich motivierten Protestaktionen. Einige davon seien im Folgenden erwähnt.
Eine erste Protestaktion an der Johannes Gutenberg-Universität fand bereits 1965 statt, als iranische Austauschstudenten aus Protest gegen ein in der Heimat verhängtes Todesurteil von vier Kommilitonen in Teheran in einen Hungerstreik gingen.
Am 30. November 1966 sammelten sich etwa 1.200 Studierende zu einem Schweigemarsch, um gegen die Wahl Kurt Georg Kiesingers zum Bundeskanzler zu demonstrieren. Kiesingers NS-Vergangenheit und Mitgliedschaft in der NSDAP stießen zu jener Zeit auf Kritik in der Bevölkerung. Viele sahen in ihm einen Politiker, der für unzulängliche deutsche Vergangenheitsbewältigung stand. Zuvor musste im Juni 1966 eine öffentliche Podiumsdiskussion zu der Notstandsgesetzgebung abgebrochen werden – es kam zu Tumulten.
Als der Schah von Persien, Mohammed Reza Pahlavi, 1967 zum Staatsbesuch nach Deutschland kam, kam es zu massiven Protesten in der gesamten Bundesrepublik. Der Schah hatte in den Jahren zuvor durch die Gründung des Geheimdienstes SAVAK, mit dessen Hilfe er die Opposition unterdrückte, ein autoritäres Regime im Iran etabliert. Als während einer Demonstration gegen den Schah in Berlin der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen wurde, war auch in Mainz die Betroffenheit groß. Am 6. Juni 1967 fand mit 2.000 Studierenden und mehreren Lehrenden und Professor:innen ein Schweigemarsch mit anschließender Kundgebung auf dem Campus statt.
Der AStA wollte 1968 eine Wanderausstellung nach Mainz bringen, die sich mit der Nazivergangenheit des damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke und das damaligen Bundeskanzlers Kurt Georg Kiesinger beschäftigte. Die Universitätsleitung weigerte sich für diese Ausstellungen Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, woraufhin die Studierenden sie im Büro des AStA zeigten. Im Nachhinein wurde festgestellt, dass viele Anschuldigungen in der Ausstellung auf Falschinformationen der Staatssicherheit der DDR beruhten – was damals aber unbekannt war. Trotzdem zeigt diese Episode erneut die Bestrebungen der jungen Generation Ende der 1960er Jahre, die nationalsozialistische Vergangenheit aufzuarbeiten.
In dieser aufgeheizten Zeit kam der damalige Kultusminister und spätere Ministerpräsident (1976-1988) von Rheinland-Pfalz, Bernhard Vogel, nach Mainz für eine Rede im Audimax. Dabei bewarfen linke Studierende ihn mit einem Pantoffel. Zu den Geschehnissen gibt es mehrere Versionen – wahrscheinlich verfehlte der Schuh sein Ziel knapp. Bernhard Vogel erzählt hingegen auch heute noch gerne, dass er den Pantoffel fing und zurück warf – zuletzt bei einer Podiumsdiskussion während des Festaktes zum 75. Jubiläum der Johannes Gutenberg-Universität. Der AStA versteigerte den Pantoffel später für 21 Mark.
Als der studentische Funktionär Rudi Dutschke an Gründonnerstag 1968 ein politisch motiviertes Attentat nur knapp überlebte, kam es teilweise zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei – vor allem in den Zentren der Studierendenbewegung wie Berlin und Frankfurt am Main. In Mainz blieben die Proteste friedlich – die Studierenden versuchten in großen Diskussionsrunden das Geschehene zu verarbeiten. Der Mainzer SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) drang in einen evangelischen Gottesdienst in der Christuskirche und forderten eine Auseinandersetzung mit dem Attentat statt eines Gottesdienstes.
Im Mai 1968 führten 18 Studierende in den Räumen der evangelischen Studentengemeinde einen bundesweit wahrgenommenen Hungerstreik gegen die Notstandsgesetze und die Studierendenunruhen in Paris durch.
„Die Universität wird bestreikt“ hieß es Ende Mai 1968. Mit einer Sitzblockade am Haupteingang der Universität protestierten Studierende vor allem gegen die Notstandsgesetze der großen Koalition. Die Aktion lief geordnet ab, es wurde wie versprochen nur der Haupteingang blockiert und auch die Labore waren vom Streik ausgenommen. Ein Chemieprofessor versuchte trotzdem mit einem Buttersäureanschlag den Protest aufzulösen. Dies führte tatsächlich zu einem kurzzeitigen Abbruch der Blockade, die Aktion konnte aber bald fortgesetzt werden.
Der politische Protest flachte an der Mainzer Universität danach etwas ab. Man fokussierte sich auf die Hochschulpolitik, gegen die noch bis weit in die 1970er Jahre regelmäßig Protestaktionen stattfanden.
Diese Zepter wurden 1963 angefertigt. Zu dieser Zeit zog die rituelle, festliche Rektoratsübergabe von der Universität zunächst 1962 ins Kurfürstliche Schloss und ab 1963 dann ins Staatstheater. Aus diesem Anlass zog bezugnehmend auf mittelalterliche Rituale ein Festzug aus Studierenden, Lehrenden und Professoren durch die Stadt. Dazu wurden diese Zepter vorangetragen.
Auf dem oberen Zepter befindet sich ein Eulenkopf, der für Weisheit stehen soll. Auf dem unteren Zepter ist der Heilige Martin dargestellt. Er ist der Schutzherr des Mainzer Doms und der Stadt.
Die Zepter waren ein Geschenk aus Idar-Oberstein, dem Zentrum der rheinland-pfälzischen Schmuckindustrie.
Autor: Lutz Luckhaupt
Weblinks:
- Von Birkenfeld nach Paris. Zwischenstation Mainz: Erinnerungen an die Protestbewegungen der 1960er Jahre - regionalgeschichte.net
- Uni, Jazz und Politik. Johano Strasser über die Studentenbewegung der sechziger Jahre in Mainz (Interview) - sozialdemokratie-rlp.de
- 68 an der JGU - Blog-Beiträge des Universitätsarchivs Mainz