Giftgas in Rheinland-Pfalz?

Das Fernsehmagazin Monitor berichtete im Mai 1981 von einer möglichen Lagerung chemischer Waffen der US-Army im pfälzischen Fischbach. Die Reportage löste eine Protestbewegung aus, die in den gesamten 1980er Jahren zu zahlreichen Demonstrationen führte.

Als 1983 die Lagerung von Giftgas in Deutschland durch das US-Verteidigungsministerium bestätigt wurde, intensivierten sich die Demonstrationen. Zwar war der genaue Standort des Giftgases unbekannt, die Proteste fokussierten sich aber weiterhin auf Fischbach, wo auch regelmäßig Mahnwachen der Protestbewegung stattfanden.

Am Rande des Weltwirtschaftsgipfels in Tokio 1986 beschlossen Bundeskanzler Helmut Kohl und der amerikanische Präsident Ronald Reagan den Abzug der in Deutschland gelagerten chemischen Waffen bis 1992. Dessen ungeachtet gingen die Proteste weiter.

Erst im März 1990 wurde offiziell bekannt gegeben, dass sich das Giftgasdepot der US-Army nicht in Fischbach, sondern in Clausen befand. Dies war bereits im Dezember des Vorjahres in einem Artikel des Spiegels vermutet worden. Die Planungen zum Abtransport der chemischen Waffen waren da bereits jahrelang im Gange. Es handelte sich um 102.000 Giftgasgranaten der Sorte GB (Sarin) und VX, die in der US-Militärbasis lagerten. Geringste Dosen beider C-Waffen führen zu einem raschen Erstickungstod. Je nach Kaliber konnten die Granaten bis zu 40 Kilometer weit geschossen werden, der Gefahrenzonenradius nach Detonation betrug ca. 2,1 Kilometer. Der Abtransport war eine Gemeinschaftsaktion der US Army, der Bundeswehr, der Polizei, der Bahnpolizei, des Bundesgrenzschutzes, der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes und verschiedener Sanitätsdienste und ging in die rheinland-pfälzische Geschichte ein.

Die Aktion

Trotz dieses umfangreichen Sicherheitskonzepts passierten einige unvorhergesehene Dinge. Bei einem Probelauf der Aktion wurden sowjetische Späher gesichtet. Einmal kam es zu einer kurzfristigen Routenänderung, weil ein Spürhund angeschlagen hatte. Kurz nach dem Start in Ramstein stürzte eine Galaxy – ein militärisches Großraumtransportflugzeug der US-Army – in dieser Zeit ab. Aufgrund der Nähe der Air-Base zu Miesau war dies ein für alle Beteiligten beunruhigendes Ereignis. Auf der Bahnstrecke wurde außerdem eine Bombenattrappe bei Kassel gefunden.

Die Aktion kostete die USA 53 Millionen Dollar – und war damit 11 Millionen teurer als geplant. Weitere Mehrkosten von 7,2 Millionen Dollar übernahm die Bundesregierung um den Transport nicht zu verzögern. Die deutschen Sicherungsmaßnahmen kosteten rund 38 Millionen DM.

Es bleibt noch die Frage: Warum der ganze Aufwand? Hätte man die Granaten nicht auch in Clausen vernichten können und hätte sich die Weltreise in den Pazifik sparen können? Die Risikobewertung des Bundesverteidigungsministeriums kam 1990 zu dem Schluss: Nein, in Claussen kann die Munition nicht vernichtet werden. Eine entsprechende Anlage hätte fünf bis sechs Jahre Bauzeit gebraucht und wäre ein zu hohes Gesundheitsrisiko gewesen. Da man die Munition nun also ohnehin transportieren musste, konnte man sie auch aus Deutschland hinaus befördern. Außerdem hätte die Bundesregierung bei einer Vernichtung der Munition in Deutschland wesentlich mehr Kosten selbst tragen müssen und wäre auch auf ca. 400 Tonnen Sondermüll sitzen geblieben.


Autor: Lutz Luckhaupt

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